PRESSEMITTEILUNG
Nr. 08/2017 vom 22.03.2017
Landkreis soll nicht auf „alternative Fakten“ reinfallen / Kreis-FDP beschäftigt sich mit dem Thema Nitrat
Rehburg-Loccum. Im Rahmen seiner jüngsten Sitzung im Rehburger Ratskeller hat sich der Kreisvorstand der Nienburger FDP mit dem Thema Nitrat im Trinkwasser befasst. Die Freidemokraten plädieren in diesem Zusammenhang zu mehr Sachlichkeit und Beachtung wissenschaftlicher Mindeststandards.
FDP-Kreis-Vize Jörg Hille (Oyle) hatte das Thema Nitrat auf die Tagesordnung gesetzt. Anlass für Hille, der ordentliches Mitglied im „Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt des Landkreises Nienburg“ (ALNU) ist, das Thema aufzugreifen waren Hinweise von in der Landwirtschaft aktiven FDP-Mitgliedern und die eigenen Erfahrungen aus der öffentlichen ALNU-Sitzung am 23. Februar diesen Jahres. Von der Kreisverwaltung wurde in dieser Sitzung mit Verweis auf die vom Land bereitgestellten Zahlen ein „Horrorszenario“ in Bezug zum Thema Nitrat skizziert. „Bei genauerer Betrachtung der vorgelegten Zahlen fällt jedoch auf“, so Hille, „dass die Darstellung des Landes aus wissenschaftlicher Sicht – freundlich formuliert – fragwürdig ist.“ Diese Feststellung konnte auch Kreislandwirt Dipl.-Ing. Tobias Göckeritz mit Zahlen im ALNU unterstützen.
Die FDP kritisiert, dass durch bewusstes Weglassen von Informationen durch die Landesregierung vorsätzlich „alternative Fakten“ über den Zustand des Grundwassers in Niedersachsen geschaffen werden. „Hier werden Fake-News unter dem Applaus der Abgeordneten von SPD und vor allem der Grünen produziert“, bringt es Hille auf den Punkt. Mit dieser Vorgehensweise werde der für den Landkreis Nienburg äußerst wichtige Berufsstand des Landwirts aus rein wahltaktischen Gründen weiter diffamiert. „Leider feuert die Landesregierung mit dieser Vorgehensweise die steuerfinanzierte Anti-Landwirtschafts-Propaganda (Stichwort „Bauernregeln“) der CDU/CSU-SPD-Koalition in Berlin weiter an“, so Hille.
Aufgabe der Kreispolitik sei es jetzt, die von der Landesseite vorgelegten Zahlen genauestens zu prüfen und Ungereimtheiten offensiv anzusprechen und bei der Beschlussfassung in den Gremien des Kreises zu berücksichtigen. „Die in der Kreis-Nienburger Landwirtschaft Tätigen und die nachgelagerten Bereiche haben einen Anspruch darauf“, so Hille, „der Kreis sollte nicht auf die alternativen Fakten des Landes hereinfallen“. Tatsächlich sei es nämlich so, dass die Trinkwasserqualität im Leitungsnetz sämtlicher Wasserverbände, trotz anders zu deutender Aussagen der genannten Politiker, im Landkreis Nienburg zu 100 Prozent gewährleistet sei, negativen Trends seien nicht belegt. Insgesamt stelle das Trinkwasser ein gesundes Lebensmittel für die Bürgerinnen und Bürger dar.
Die FDP fordert daher, dass seitens des Landkreises alle zur Verfügung stehenden amtlichen Gütemessstellen bei der Bewertung des Grundwassers im Landkreis Berücksichtigung finden sollen. „Tatsachen statt Halbwahrheiten sollten Grundlage für politische Entscheidungen seien“, fordert Hille, „Fake-News haben wir schon genug.“
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Hintergrundinformation:
In der ALNU-Sitzung am 23.02.2017 hat das beratende Ausschussmitglied des Kreislandvolks, Herr Dipl-Ing. Tobias Göckeritz (Sonnenborstel), folgende Fakten zu Protokoll gegeben:
Erklärung zum TOP 5 „Vertragsverletzungsverfahren Nitratrichtlinie“ ALNU vom 23.02.2017
Das NLWKN betreibt in Niedersachsen an 2.040 Standorten staatliche Grundwassermessstellen. An 999 Standorten werden 1.354 Messstellen (untere und obere Grundwasserstockwerke) regelmäßig auf Nitrat untersucht. Darüber hinaus gibt es weiter 1.841 Messstellen der Wasserversorgungsunternehmen in den Trinkwassergewinnungsgebieten und anderswo, die nicht in den amtlichen Zahlenwerken veröffentlicht werden. Aus den 1.354 amtlichen Messstellen werden 594 Messstellen für das Messprogramm „Grundwasser Güte“, 759 Messtellen für das Messprogramm „WRRL-Güte“ und nur 103 Messstellen für die Europäische Umweltagentur (EUA) herangezogen. Aus diesen 103 Messstellen leitet die EU die Nitratbelastung für Niedersachsen ab. Seit 2016 werden für ganz Deutschland 692 Messstellenergebnisse (EUA) gemeldet. Das Vertragsverletzungsverfahren gegen ganz Deutschland basiert auf lediglich 162 Messstellen (EUA), die bis 2016 vom Bundesumweltministerium (BUMB) nach Brüssel gemeldet wurden.
Für den Landkreis Nienburg betreibt das NLWKN 89 Messstellen (100%), die Nitratgehalte im Grundwasser regelmäßig ermitteln, davon werden 31 Messstellen (34,8%) für die beiden Messprogramme „Grundwasser Güte“ und „WRRL-Güte“ herangezogen. Lediglich 5 Messstellen (5,6%) werden für das EUA Messprogramm herangezogen. Bis 2015 waren nur 2 Messtellen (2,2%) für den ganzen Landkreis Nienburg zur EU gemeldet worden. Eine dieser Messstellen war und ist Nordel I. Wenn man zwei Messstellen meldet und eine davon ist belastet, dann wird daraus die Aussage abgeleitet 50% des Grundwassers im LK Nienburg sei Nitrat belastet.
Von den 89 amtlichen Messstellen in Nienburg weisen 6 Messstellen (6,7%) einen erhöhten Nitratwert von 50 oder mehr mg Nitrat je Liter Wasser auf.
In Niedersachsen weisen von den 1.354 (100%) amtlichen Güte-Messstellen 221 Messstellen (16,3%) einen erhöhten Nitratwert von 50 oder mehr mg/Liter auf. Diese erhöhten Messwerte (100%) finden sich zu 19,4% in den Niederungen, zu 12,2% im Bergland und zu 68,3% in der Geest. Der Anteil an Messstellen mit Grenzwertüberschreitungen hängt im Wesentlichen von der Geologie des Bodens ab, Zusammenhänge mit der Viehdichte oder den Stickstoffüberschüssen einer Region lassen sich nicht belegen.
Seit 1913 hat sich der Viehbestand in Deutschland von 23,7 Mio. Großvieheinheiten (1 GV = 500kg Tiermasse) auf 13,2 Mio. GV im Jahr 2010 fast halbiert. Im Landkreis Nienburg hat sich der Nutzviehbestand von 1,27 GV je Hektar Landkreisfläche im Jahr 1979 auf 0,85 GV/ha im Jahr 2010 verringert. In den 10 Jahren seit 2006 hat der Landkreis 1.994 Rinder, 12.009 Sauen, 44.795 Mastschweine und 92.491 Kopf Geflügel verloren. Lediglich bei den Milchkühen hat es in 10 Jahren eine Zunahme von 872 Tieren gegeben. Wir verlieren laufend weiter Nutztiere und damit auch ihren Wirtschaftsdünger zur Ernährung unserer Pflanzen. Der Düngerbedarf der Pflanzen im Landkreis Nienburg muß durch den Zukauf von Wirtschaftsdünger und Mineraldünger gedeckt werden.
(Quellen: „Nitratbericht 2016“ der Bundesregierung; „Gewässerüberwachungssystem Niedersachsen“ Bericht des Nds. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz erarbeitet vom NLWKN Juli 2014, Band 18; „Landesweite Datenbank für wasserwirtschaftliche Daten“ des NLWKN; „Landwirtschaft in Zahlen“ der LWK im Landkreis NI und DH 2006-2016)